Vom Brauchtum der Zimmerleute (von Wolfgang Fina)
Seit Häuser gebaut werden, kommt einem
Bauabschnitt eine besondere Bedeutung zu - der Fertigstellung des Rohbaus. Ganz
nach dem alten Brauch wird der Richtbaum, Richtkranz oder auch Maien genannt,
von den Zimmerleuten am Dachstuhl befestigt. Geschmückt mit bunten Bändern oder
Tüchern kündigt er den Fortgang des Baus an.
Der Richtspruch ist ein fester Bestandteil beim Richtfest (Weihefest, Hebefest,
Aufschlagfest), er gibt dem Dank an den Architekten, den Bauherrn, an alle an
diesen Bauwerk Mitwirkenden sowie der Freude über die vollendete Arbeit
Ausdruck.
Und auch den Stolz der Zimmerleute auf ihr Handwerk, ihr Brauchtum und ihre
Kollegen. Er beschwört das Glück für den Bau. Auf daß es alle, die da ein und
ausgehen, schütze.
Geschichtlich findet der Richtspruch mit der Entstehung der Zünfte im frühen
Mittelalter erstmals seine Erwähnung. Er hat keineswegs etwas mit Zauberformeln
oder Beschwörungen zu tun. Der Richtspruch entspricht eher dem Sinn eines
Gebetes. Denn er bittet um den Segen Gottes für das Haus. Auch danken die
Zimmerleute dem Allmächtigen für seinen Schutz während ihrer Arbeit und daß er
alle Gefahren von ihnen abgewendet hat. So wenden Sie oft, um alle Anwesenden
daran zu erinnern, nach Ende des Richtspruches den Blick zum Himmel.
Das Richtfest ist vom Sinn her das ureigene Fest der Handwerker, die durch ihrer
Hände Arbeit das Bauwerk erstellt haben. Sie sollten die Hauptpersonen sein, mit
denen alle Anwesenden das glückliche Gelingen des Baus feiern - und das Feiern
ist ihnen hier das Wichtigste. Es ist der Ausdruck des Zusammenhaltes und des
guten Miteinanders und der Freude an ihrem Handwerk und ihrer Tradition.